Description
ANDREA DI BARTOLO
(dok 1389 Siena 1429)
The Christ and the Twelve Apostles (panels from a five-part predella).
Tempera and gilt background on panel.
a) Matthew and Thomas
b) James the Greater, Bartholomew, Andrew
c) John, Christ, Peter
d) Matthew, Philip, James the Lesser
e) Thaddeus and Simon
15.7 x 31.7 cm (a); 15.9 x 47.2 cm (b); 15.9 x 48.1 cm (c); 15.9 x 48.2 cm (d); 16 x 31.7 cm (e).
With two documents (copies available) by an assistant of Bernard Berenson dated 2 September 1952 and by Robert Longhi dated 31 August 1952, both certifying the work as an original by Andrea di Bartolo, on the basis of a photograph.
Provenance:
- English Private collection, until 1952.
- Swiss Private collection.
A complete study by Prof. Dr. Gaudenz Freuler available in German.
ANDREA DI BARTOLO
(dok 1389 Siena 1429)
Christus und die 12 Apostel (Elemente einer fünfteiligen Predella).
Tempera und Goldgrund auf Holz. a) Matthias und Thomas
b) Jacobus Maior, Bartholomäus, Andreas
c) Johannes, Christus, Petrus
d) Matthäus, Philippus, Jacobus Minor
e) Thaddäus und Simon
15,7 x 31,7 cm (a); 15,9 x 47,2 cm (b); 15,9 x 48,1 cm (c); 15,9 x 48,2 cm (d); 16 x 31,7 cm (e).
Mit zwei Schreiben (Kopien vorhanden) vom Assistenten Bernard Berensons vom 2.9.1952 und von Robert Longhi vom 31.8.1952, die beide die Eigenhändigkeit Andrea di Bartolos anhand einer Fotografie bestätigen.
Provenienz:
- Englischer Privatbesitz, bis 1952.
- Schweizer Privatbesitz.
Die fünf Goldgrundtafeln mit der Serie der zwölf um den segnenden Christus gescharten Apostel sind zweifellos Elemente einer kompletten Predella (Sockel) eines stattlichen und damit bedeutenden Altarwerks.
Obwohl die fünf Predellentafeln von der Kunstgeschichte unerschlossen, und somit noch unveröffentlicht blieben, waren sie der Forschung nicht ganz unbekannt, zumal sie bei ihrem Auftauchen im britischen Kunsthandel um 1952 von den damals führenden Kennern der frühen italienischen Kunst, Roberto Longhi und Bernard Berenson, in zwei Gutachten zur Kenntnis genommen und zutreffend dem sienesischen Maler Andrea di Bartolo zugewiesen wurden. Diesem Urteil schloss sich auch Federico Zeri an, der die Tafeln über Photographien kannte und sie in seiner Photosammlung als Werke Andrea di Bartolos archivierte.
Ihre Zuschreibung an Andrea di Bartolo ist nicht in Frage zu stellen, denn die Physiognomien und Typen der hier figurierenden Apostel finden sich in Andrea di Bartolos Oeuvre immer wieder variiert.
Rekonstruktion:
Etwas komplexer gestaltet sich die Frage der Anordnung und Abfolge der einzelnen Elemente. Die hier vorgeschlagene Anordnung basiert auf Überlegungen, welche die Beschaffenheit des Holzes (Maserung des Holzes) und ikonographische sowie ästhetische Aspekte einschliessen, die hier kurz angesprochen werden sollen.
Auch die Identifikation der einzelnen Apostel gestaltet sich etwas komplex, zumal sie sich bloss vereinzelt durch die hinlänglich bekannten Attribute erschliessen lässt. In anderen Fällen ergibt sich ihre Identität aus ihrer Typik, wie sie sich im Verlaufe des 14. Jahrhunderts in der sienesischen Kunst, gerade im Milieu des Simone Martini und dessen Nachfolger, ausgebildet hatte.
Im Zentrum der Predella stand zweifellos die Tafel mit dem auf der Mittelachse in Erscheinung tretenden segnenden Christus, der links vom Lieblingsapostel und Evangelisten Johannes und rechts vom Apostelfürsten Petrus flankiert wird (c). An diese zentrale Predellentafel schloss sich links eine weitere dreifigurige Tafel (b) an, nämlich jene mit den Aposteln Andreas, Bartolomäus und Jacobus Maior, deren Identität durch ihre Attribute (Kreuz, Messer und Pilgerstab) zu erschliessen ist, während rechts die ebenfalls dreifigurige Tafel (d) platziert war. Der auf dieser Tafel links erscheinende Heilige im roten Gewand lässt sich aufgrund seiner Typologie als Apostel und Evangelist Matthäus identifizieren, während jener rechts aussen aufgrund seiner Christus ähnlichen Physiognomie als Jacobus Minor zu gelten hat. Da Jacobus Minor im liturgischen Kalender zusammen mit Philippus (1. Mai) gefeiert wird und sie deshalb meist zusammen dargestellt werden, darf die mittlere Figur mit eben diesem Apostel identifiziert werden.
Folglich bildeten die beiden schmaleren Predellentafeln mit nur zwei Aposteln (a,e) die seitlichen Abschlüsse der Predellenfolge. Da auf beiden Tafeln je ein junger Apostel und ein solcher mittleren Alters figurieren und ihnen kein hinlängliches Attribut beigegeben ist, müsste sich ihre Identifikation als aussichtslos gestalten, wenn uns hier nicht die sienesische Bildtradition und der liturgische Kalender entgegenkäme. In Frage kommen die noch nicht identifizierten Apostel Thomas, der an die Stelle des Verräters Judas Ischariot getretene Apostel Matthias, und die zusammen jeweils am 28. Oktober gefeierten und deshalb zusammen dargestellten Apostel Simon und Thaddäus. Damit haben sich für die beiden schmalen Predellen zwei Apostelpaare, Thomas und Matthias, sowie Simon und Thaddäus ergeben. Die definitive Lösung ergibt sich über den jungen blonden Apostel im roten Mantel der Tafel (a), insbesondere über dessen Zeigegestus. Diese Darstellungsform fusst auf jenem Modell, das Simone Martini 1319 auf seinem Altarwerk für Santa Caterina in Pisa für den Apostel Thomas entwickelt hatte. Damit ist klar, dass es sich hier um Thomas und bei seinem Gegenüber folglich um den Apostel Matthias handelt. Dies bedeutet, dass der blonde junge Apostel der anderen Tafel (e) als Thaddäus identifiziert werden kann, der in der sienesischen Bildtradition ebenfalls als jugendlicher blonder Apostel dargestellt wird.
Bekräftigt wird unsere These insofern als dieser gleich wie sein älteres Gegenüber sich direkt auf Simone Martinis Apostelserie (ex-Ramboux Köln, heute Washington, National Gallery, New York, Metropolitan Museum, Asciano, collezione Salini) bezieht und beide das von Simone Martini vorgegebene Modell, die beiden namentlich bezeichneten Thaddäus und Simon (Washington, National Gallery, Kress 1350, 1351) eins zu eins aufgreifen. Somit ist ihre Identität als Apostel Thaddäus und Simon gesichert.
Die Platzierung der beiden zweifigurigen Predellenelemente innerhalb der gesamten Sequenz ergibt sich durch die Körperhaltung der dargestellten Apostel. Somit bildete die Tafel mit dem nach rechts gerichteten Apostel Matthias auf der Aussenseite das äusserste linke Element der Predella (a). Auf dieses folgte die breitere Tafel mit den Aposteln Jacobus Maior, Bartholomäus, Andreas (b), die zur zentralen Tafel mit Christus Johannes und Petrus (c) hinführte. An sie schloss sich rechts die Tafel mit Matthäus, Philippus, Jacobus Minor (d) an, während die Predella rechts aussen durch die Tafel mit den beiden Aposteln Thaddäus und Simon (e) abgeschlossen wurde.
In ihrer Gesamtstruktur präsentiert sich die Predella, der Tradition entsprechend, als gross angelegte Allusion auf die Eucharistie, die stets auf der zentralen Predellentafel in Erscheinung tritt. Seitlich von Christus figurieren ähnlich wie beim Abendmahl die beiden Protagonisten unter den Aposteln, der Lieblingsjünger Johannes - hier freilich nicht mehr als der jugendliche Jünger, sondern als der Verfasser des Evangeliums - und Petrus der Apostelfürst und Kirchengründer. Dass der an Stelle des Verräters Judas getretene Matthias bloss ganz links aussen Erscheinung tritt, erklärt sich daraus, dass er erst nach Judas Verrat zur Jüngerschar gestossen ist. Bezeichnend innerhalb der Apostelhierachie, dass die prominentesten Apostel, eben Johannes, Petrus, aber auch Matthäus und Andreas in unmittelbare Nähe des Christus platziert sind.
Die hier wieder zusammengefügte Predella von ca. 210 cm Breite (ohne Rahmen) muss zu einem stattlichen Altarwerk gehört haben, das insgesamt wohl ca. 230 cm breit war. Da hier alle Apostelheilige bereits in der Predella figurieren, scheint es kaum wahrscheinlich, dass einige von ihnen auch im oberen Altarbereich auf den Seitentafeln erneut in Erscheinung getreten wären, obwohl das nicht ganz auszuschliessen wäre, denn ein solches Konzept ist tatsächlich rund hundert Jahre früher auf einem Altarwerk des nach Perugia ausgewanderten Duccio-Nachfolgers Meo da Siena (Pinacoteca Nazionale in Perugia) realisiert worden. Dennoch vermuten wir, dass im oberen Hauptbereich des Altarwerks seitlich des noch zu identifizierenden Hauptblattes wohl keine Heilige dargestellt waren, sondern narrative Szenen, die womöglich ähnlich angeordnet waren, wie jene in Bartolo di Fredis Altarwerk von 1388 für die Annunziatakapelle in San Francesco in Montalcino (siehe Freuler G.: Bartolo di Fredi Cini, Disentis 1994, S. 198 ff, fig. 187), an dem Andrea di Bartolo selbst in der väterlichen Werkstatt mitgewirkt hatte. Jenes Altarwerk beinhaltete einen gross angelegten Zyklus des Marienlebens, das auf der zentralen Tafel in Marias himmlischem Triumph gipfelte.
Ähnliches wäre auch für das hier in Frage stehende Altarwerk denkbar, wobei aber aufgrund der Grössenverhältnisse von vier seitlichen Tafeln, wie dies für Taddeo di Bartolos Altarwerk zu Ehren des Heiligen Gimignanus (1401) zutrifft, auszugehen wäre. Als Elemente der fraglichen Seitentafeln kämen die vier Fragmente eines vermutlich äusserst detailreichen Marienzyklus in Frage, die sich in der National Gallery in Washington (Kress, 84, 85, 86) und im Christlichen Museum in Esztergom befinden, zumal sie auch stilistisch mit unserer Predella in Einklang stehen. Sie stellen die Geschichte von Marias Eltern Joachim und Anna dar und führen über die Geburt Mariae zu Marias Tempelgang. Da die Thematik der vier existierenden Fragmente auf einen sehr detaillierten Marienzyklus hindeuten kann davon ausgegangen werden, dass sich seitlich an das Hauptblatt je zwei Seitentafeln mit je zwei Szenen angeschlossen hatten. Damit hätte der Zyklus acht Episoden des Marienlebens beinhaltet. Aufgrund der Dimensionen der Bilder in Washington und Esztergom (44 x 32 cm) müsste die Höhe der bloss 33 cm breiten seitlichen Tafeln ca. 90-95 cm betragen haben, während das Hauptblatt eine Breite von rund 55-60 cm und eine Höhe von wohl 110 cm aufgewiesen haben mag. Auf den beiden äussersten Flanken wären Pilaster von je ca. 15 cm Breite vorauszusetzen. Dies ergäbe eine Gesamtbreite (210 cm), die jener unserer Predella sehr nahe käme.
Wenn natürlich diesen Ausführungen zu einer möglichen Rekonstruktion bloss hypothetischer und rein spekulativer Charakter zuerkannt werden kann, so kann auf diese Weise immerhin eine Vorstellung davon suggeriert werden, in welchem Zusammenhang die hier rekonstruierte komplette Predella ursprünglich gestanden ist.
Datierung:
Was nun ihre Entstehungszeit angeht, so stellt sich die Lösung dieser Frage im Fall von Andrea di Bartolo nicht einfach, zumal wir innerhalb dessen Oeuvres inschriftlich bloss über einen einzigen chronologischen Anknüpfungspunkt verfügen, nämlich die Datierung seiner vier aus San Petronilla in Siena stammenden Heiligen in der Chiesa dell' Osservanza in Siena (1413). Erschwerend kommt dazu, dass Andrea di Bartolos Stil nicht grundlegenden Veränderungen unterworfen war und er zudem seine eigenen meist aus dem Umkreis Simone Martinis und besonders seines Vaters Bartolo di Fredi aufgegriffenen Modelle oft bloss kopierte oder variierte.
Forschungen der jüngeren Zeit durch den Schreibenden konnten in der Zwischenzeit immerhin weitere zuverlässige Datierungsanhaltspunkte verschaffen, die zum einen seine Karriere als Buchmaler und zum anderen seine Arbeiten für Venedig betreffen, wohin er sich mit Sicherheit am Ende seiner Karriere (1424-1429), aber vermutlich bereits schon früher im letzten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, bereits eine erstes Mal begeben hatte.
Wenngleich einige Apostel, namentlich Matthias und Thomas (a) Anklänge an Andrea di Bartolos noch im ausgehenden 14. Jahrhundert gemalten Miniaturen im Antiphonar H.I.7 der Biblioteca Comunale in Siena erkennen lassen und auch der nach einem von ihm selbst oft wiederholten Modell gemalte segnende Christus (c) sich in seiner emotionalen Intensität an jenem der Initiale A des Antiphonarblattes orientiert, das aus dem vom englischen König Edward IV um 1399 in Auftrag gegebenen Antiphonars für die franziskanische Custodia des Heiligen Landes in Jerusalem (Jerusalem, Museum des Studium Biblicum Franciscanum, MS 5 D) geschnitten ist, so dürften diese Chorbücher eher einen Zeitpunkt bestimmen, der die Chronologie nach vorne abgrenzt. Das heisst unsere Predella ist wohl nicht früher als 1400 gemalt.
Mit den beiden ins Profil gerückten, und so den Rhythmus der Apostelfolge brechenden Aposteln Jacobus Maior (b) und Philippus (d) ist hier eine Bildregie eingeflossen, die unmittelbar aus Taddeo di Bartolos Kunst aufgegriffen ist. Andrea di Bartolos Aufmerksamkeit für seinen eben erst um 1400 in die Vaterstadt zurückgekehrten Rivalen ist erst in seinen Werken greifbar, die vermutlich ins erste Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts zu setzen sind und erklären sich eben durch die Rückkehr dieses Künstlers aus Genua und Pisa, wo dieser im letzten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts zahlreichen bedeutende Aufträge ausgeführt hatte.
Im Vergleich zum nächsten chronologischen Fixpunkt in Andreas Oeuvre, den erwähnten auf 1413 datierten Heiligen aus Petronilla, die durch eine Verhärtung in der Zeichnung und eine gewisse Erstarrung im Ausdruck auffallen, dringt hier gerade in den Figuren der jungen Apostel und im wunderschön gemalten Gesicht des Jacobus Minor noch eine gewisse auch in den besten Werken seines Vaters, Bartolo di Fredi, erkennbare aulische Feinheit durch, die letztlich aus dem Vorbild Simone Martinis, dem Massstab der damaligen sienesischen Malerei, rezipiert ist. Deshalb scheint mir für die hier in Frage stehende Predella, sowie für die stilverwandten, womöglich zum gleichen Altarwerk gehörenden Tafeln mit Szenen aus dem Marienleben in Washington und Estztergom eine Entstehungszeit um 1405 wahrscheinlich. In diese frühen Jahre seiner künstlerischen Reife gehört auch die stilverwandte Predellentafel mit dem Brotwunder des heiligen Dominikus in Privatbesitz, gleich wie das wohl bloss unwesentlich frühere Flügelaltärchen mit der Trinität in der National Galerie in Prag.
Die hier besprochenen Tafeln bilden die einzige noch vollständig erhaltene Predella dieses begabten sienesischen Malers in Privatbesitz, was ihre außerordentliche Bedeutung noch zusätzlich herausstreicht.
Prof. Dr. Gaudenz Freuler